Freitag gehts los mit der Fussball-EM in Deutschland. Ein guter Anlass, die dortigen Biere zu degustieren. Es gibt viele tolle darunter. Aber eines überragt alle.
Mathias Möller, Claudia Salzmann, Philippe Zweifel
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Die Fussball-Europameisterschaft wird endlich angepfiffen. In zehn deutschen Städten spielen die besten Teams Europas gegeneinander. Ein Anlass, um typische Biere aus diesen Orten zu probieren – denn Fussballgucken und Biertrinken gehören für viele zusammen, gerade im Sommer.
Biersommelier Mich Gfeller von «Drinks of the World» hat für uns die Auswahl getroffen. Aus jeder EM-Stadt hat er uns ein Bier mitgebracht – ausser aus zwei Orten, da hat er keins gefunden: ein Bier aus Frankfurt und eines aus der Ortschaft Gelsenkirchen fehlen im Test.
Also haben wir acht Biere getestet – blind, ohne das Etikett zu sehen. Jedes Bier wurde auf einer Notenskala von 1 bis 5 benotet, die Endnote setzt sich aus der Summe der drei Einzelnoten zusammen. Das Schlussresultat formulieren wir aus gegebenem Anlass in Turnierform.
Das Test-Trio bestand aus der Bier-Ordensträgerin Claudia Salzmann, dem Hobbybrauer Mathias Möller und dem Bierliebhaber Philippe Zweifel.
Viertelfinalist: Früh Kölsch (Köln)
«Wässerig, herb – aber trotzdem kaum Abgang», konstatiert Zweifel enttäuscht. Noch härter ins Gericht geht Claudia Salzmann: Sie schmecke den Hopfen und das Obergärige, aber in der Nase passiere wenig, und im Abgang falle alles komplett in sich zusammen. Eine Plörre! Mathias Möller taxiert das Kölner Bier als eine Traditionsmannschaft, die in der Vorrunde ausscheidet. Bemerkenswert: Die Testenden mögen eigentlich Kölsch, aber offenbar lebt dieses auch vom Ambiente in einem Kölner Brauhaus – und dem nicht versiegen wollenden Nachschenken, das dort gang und gäbe ist.
Punkte: 4
Viertelfinalist: Berliner Kindl Weisse (Berlin)
Die Nase ist erst einmal irritiert: «Nasser Hund», befindet Möller. «Nasser Heustock», wirft Salzmann ein. Egal, nass auf jeden Fall. Im Geschmack ist das Weisse salzig-sauer. Es handelt sich um ein Berliner Weisses, ein lokales Traditionsbier, das von Napoleons Truppen einst als «Champagner des Nordens» geadelt worden sein soll. Gab es früher Hunderte Weissbierlokale in Berlin, ist das Weissbier im 20. Jahrhundert fast ausgestorben und wurde höchstens von Touristen mit «Schuss» getrunken, mit grünem Waldmeister- oder rotem Himbeersirup. Heute gibt es einige gute Craft-Weisse. Diese vom Grossbrauer Kindl aber, befindet Zweifel, beweist wenig Stehvermögen.
Punkte: 7
Viertelfinalist: Hövels (Dortmund)
Das Hövels Original sticht auf den ersten Blick heraus: Es ist deutlich dunkler als die anderen Biere. Möller lässt sich auf die falsche Fährte locken: «Da gibt es sicher jemanden in Düsseldorf, der das besser kann.» Doch das Dortmunder Bier ist trotz der typischen leichten Süsse und der dezenten Bitternoten kein Altbier, wie man es am Rhein trinkt, sondern genau genommen ein eigener Stil. Die Bierbewertungs-App Untappd führt es als «Dark Ale». So oder so: Hier fehlten Ecken und Kanten, urteilt Salzmann. Ähnlich sieht es Zweifel: «Das Bier hat keinen Soul», notiert er und zieht den Vergleich zu einem günstigen Whisky.
Punkte: 8
Viertelfinalist: Diebels Alt (Düsseldorf)
Dieses bedauernswerte Bier hats ganz knapp nicht in den Halbfinal geschafft, ist quasi im Penaltyschiessen ausgeschieden. Ausschlaggebend dafür ist unter anderem die vernichtende Note, die es von Zweifel bekommt: «Macht auf Kaffee-Rauch-Geschmack, aber da greife ich lieber grad zum Guinness.» Und im Zweifelsfall (Wortspiel gewollt) sei ein Ale halt besser als ein Alt, auch wenn die Biere ähnlich gebraut würden. Die anderen Tester schätzen zwar das leichte Röstaroma, aber vermissen eine überzeugende Nase. Trotzdem findet Möller das obergärige Bier «spannender, als man zuerst denkt».
Punkte: 9
Halbfinalist: Das Echte Märzen (Stuttgart)
Eine herbe Sache, da sind sich alle Testenden einig. Aber auch mit Sonnenschein und einem Anflug von Honig drin, sprich: durchaus süffig. Interessanterweise denken alle drei gleich an ein typisches Stadionbier. «Geht völlig in Ordnung im Stadion», befindet Möller. «Davon würde ich auch nach der Halbzeit noch eins trinken», notiert sich Salzmann. Und Zweifel findet es zwar «für Profis zu unterkomplex», was es aber zu einem tipptoppen Bier für die Ränge mache. Der nachträgliche Check beim Hersteller ergibt übrigens, dass es zu Schweinekrustenbraten und Backapfel im Teig passe. Ach, Deutschland.
Punkte: 9
Halbfinalist: Tilmans Biere – Der Weizen (München)
Zweifel und Möller sind fasziniert: Ist das hier ein Blanche nach belgischem Vorbild? Da ist doch Orangenschale zu schmecken! Zweifel hegt einen schrecklichen Verdacht: Hier wird am deutschen Reinheitsgebot geritzt! Salzmann hat den Durchblick: «Schmeckt bananig-fruchtig, aber ist ein Weizen, ganz klar», steht in ihren Notizen. Nach der Blindverköstigung ist alles klar: Tilmans Biere aus München konzentriert sich als Craft-Brauerei auf traditionelle Bierstile, die modern interpretiert werden. So darf das bayrische Weizen also mit dem belgischen Blanche flirten.
Punkte: 10
Finalist: Astra Urtyp (Hamburg)
Was für ein Bier! Nicht nur schmeckte es unserer Runde auf Anhieb, sondern jagte sie auch ins Bockshorn. Unisono tippte man im Blindtest auf ein Kölsch. Dafür ausschlaggebend waren sicherlich auch die goldene Farbe und der Schaum, die für das Kölsch typisch sind. Und natürlich der cremige, süffige Charakter. «Easy und unkompliziert» lautet das saloppe Urteil Zweifels. Salzmann präzisiert: «Kräuterig-hopfig.» Und Möller rundet begeistert mit einer Analogie ab: «Wie Griechenland an der Euro 2004 – die Mannschaft, mit der niemand gerechnet hat.» Doch im Gegensatz zu Griechenland hat es diesem Bier nicht ganz zum Sieg gereicht, diese Ehre gebührt …
Punkte: 12
EM-Titel: Ritterguts Gose (Leipzig)
Zweifel ist begeistert: «Wie ein Gueuze light», nickt er anerkennend und nimmt auf die belgische Bierspezialität Bezug. «Säuerlich im besten Sinne!» Bei Möller löst der Geschmack gleichermassen Begeisterung und Verwirrung aus, aber er lag mit seiner Einschätzung goldrichtig: «Es schmeckt salzig, also könnte es eine Gose sein.» Salzmann würde zwar kein ganzes Glas davon trinken wollen, aber die Salzigkeit und die Säure des trüben Biers gefallen auch ihr ausgezeichnet. Ein würdiger EM-Sieger: Technisch versiert, mit einer komplett anderen Aufstellung als die Kontrahenten.
Punkte: 14
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